Informationen zur Volksinitiative Hausarztmedizin
May. 2012Family doctors
Hausarztinitiative. In seinem Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» nimmt der Bundesrat die berechtigten Anliegen der Initianten auf. Er vermeidet es jedoch, einer einzelnen Berufsgruppe eine Sonderstellung in der Verfassung einzuräumen.
Am 1. April 2010 hat der Berufsverband der Haus- und Kinderärzte die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» mit gut 200 000 Unterschriften eingereicht. Darin fordert er die Aufwertung und die langfristige Sicherstellung einer hochwertigen Hausarztmedizin. Die Hausärztinnen und Hausärzte führen dabei ihre Bedeutung als erste und wichtigste Anlaufstelle in der medizinischen Grundversorgung ins Feld – zu Recht, reicht ihr Leistungsspektrum doch von der Behandlung von Krankheiten und Unfällen über die Gesundheitserziehung bis hin zur Prävention. Die Wichtigkeit der Hausarztmedizin werde jedoch zunehmend verkannt, wie die Initianten monieren. Schon vor Jahren haben die Hausärztinnen und Hausärzte bei ihrem Berufsstand fundamentale Mangelerscheinungen diagnostiziert. Dem Hausarztberuf fehle es an angemessener Förderung im Aus- und Weiterbildungssystem, an attraktiven Berufsbedingungen (z.B. Tarifstruktur) und an Anerkennung. So gebe es in der Schweiz immer weniger Hausärzte, während die Nachfrage nach ihnen stetig steige, weil die Bevölkerung immer älter werde und immer mehr medizinische Leistungen beanspruche. In der Schweiz herrscht derzeit ein akuter Ärztemangel, der teilweise mit ausländischen Fachkräften kompensiert wird. Langfristig solle die Schweiz aber um eigenen Ärztenachwuchs besorgt sein, so die Initianten. Die Hausarztinitiative fordert deshalb, dass die Anerkennung, die Förderung sowie die berufliche und finanzielle Besserstellung der Hausärztinnen und Hausärzte mit einem neuen Artikel (118b) in der Bundesverfassung verankert werden.
Vernetzung statt Fragmentierung
Der Bundesrat hat sich am 16. September 2011 gegen die Volksinitiative und für einen direkten Gegenentwurf entschieden. Er sieht in der Initiative keine nachhaltige Lösung, um eine adäquate, allen zugängliche und hochwertige Grundversorgung sicherzustellen. Er anerkennt zwar die berechtigten Anliegen der Initianten, kritisiert aber die Stossrichtung der Initiative, die ausschliesslich auf die Berufsgruppe der Hausärztinnen und Hausärzte ausgerichtet ist. So würde mit der Initiative die Hausarztmedizin als einzige Berufsgruppe der Grundversorgung in der Verfassung erwähnt. Dies ist allein schon wegen des Gleichbehandlungsgebotes bedenklich. Zudem fördert die Initiative die traditionelle Fragmentierung der Grundversorgung. Dies gilt es aber zu überwinden, nicht zu stützen. Der Bundesrat sieht die Zukunft der Grundversorgung nicht in der alleinigen Verbesserung der Hausarztmedizin, sondern in der verbesserten Vernetzung aller ärztlichen und nichtärztlichen Fachleute. Dieser multiprofessionelle Ansatz im Sinne der Managed Care steht denn auch im Zentrum des Gegenentwurfs. Der Gegenentwurf anerkennt und fördert die Hausarztmedizin ausdrücklich als wichtigen Pfeiler der Managed Care. Er schliesst aber auch andere medizinischen Fachbereiche ein, die genauso Unterstützung brauchen – etwa bei der Nachwuchsproblematik. Der Gegenentwurf gibt somit eine umfassendere Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen des Gesundheitswesens.
Bund ist schon aktiv
Um kurz- und mittelfristig auf die Schwierigkeiten in der Hausarztmedizin zu reagieren, wird der direkte Gegenentwurf von einem Massnahmenpaket begleitet. Dazu gehört etwa die Revision des Medizinalberufegesetzes. Damit wird eine Anpassung der Aus- und Weiterbildungen mit Blick auf die medizinische Grundversorgung vorgenommen, die auch Kompetenzen in der Hausarztmedizin einschliesst. Zudem wurde der neue eidgenössische Weiterbildungstitel «Allgemeine Innere Medizin» geschaffen, der wesentlichen Bedürfnissen der Hausärztinnen und Hausärzte Rechnung trägt. Auch bezüglich der bemängelten Tarifstruktur zeichnet sich eine Verbesserung ab: Am 23. Dezember 2011 hat das Parlament eine parlamentarische Initiative angenommen, die es dem Bundesrat ermöglicht, die Tarifstruktur anzupassen, wenn sich diese als nicht mehr sachgerecht erweist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können. Gleichentags hat das Parlament einer weiteren Revision des Krankenversicherungsgesetzes zugestimmt: Demnach sollen in Zukunft Leistungserbringer und Versicherer gemeinsam eine Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit festlegen. Dies sollte in Zukunft zu einer Verringerung der Papierarbeit beitragen.
In seinem Bericht in Erfüllung der Motion 08.3608 «Strategie gegen den Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin» vom September 2011 empfiehlt der Bundesrat den Universitätskantonen, in Zukunft 1200 bis 1300 statt wie bisher 700 bis 800 Ärztinnen und Ärzte auszubilden. Mit einer gezielten Förderung der Hausarztmedizin in Aus- und Weiterbildung soll dabei auch der Anteil der Hausärztinnen und Hausärzte erhöht werden.
Aktuell wird im Auftrag von Bundesrat Alain Berset zusammen mit einer Trägerschaft die Erarbeitung eines Masterplans «Hausarztmedizin» geprüft: Damit sollen weitere Massnahmen zur Förderung der Hausarztmedizin gezielt vorangetrieben und möglichst bald umgesetzt werden. Über die Lancierung des Masterplans wird im Juni 2012 entschieden.
Contact
Catherine Gasser, Abteilungsleiterin Gesundheitsberufe, Direktionsbereich Gesundheitspolitik, catherine.gasser@bag.admin.ch